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Motive: Erkundung und Kolonien * Technologien und Artifakte Wertung 5 von 7 Das volle Potential kann nicht entfalten werden Spin war eines der populärsten Bücher der letzten Zeit. Es hat verschiedene Preise abgeräumt (darunter den Hugo) und an vielen Stellen hervorragende Kritiken eingesammelt. Wenn man sich den Inhalt anschaut, dann weiß man warum: Von einem Tag zum anderen verschwinden die Sterne. Ein unbekanntes Objekt, das später Spin genannt wird, umhüllt die Erde und lässt nichts durchdringen. Eine künstliche Sonne, die sich wie die echte Sonne verhält, sorgt für Licht und den gewohnten Verlauf der Jahreszeiten. Doch das ist nicht das einzige. Innerhalb des Spins läuft die Zeit stark beschleunigt ab. Der Menschheit bleiben nur noch wenige Jahrzehnte, bis die Sonne erlischt... Für solche Ideen und Gedankenexperimente gibt es Science Fiction! Wer jetzt einen harten SF Roman erwartet, liegt falsch. Robert Charles Wilson baut die Geschichte so ähnlich auf wie die Chronolithen. Im Mittelpunkt steht der junge Ich-Erzähler Tyler Dupree sowie seine beiden Freunde, die Zwillinge Jason und Diane. Jeder reagiert anders auf die Ereignisse. Tyler bleibt relativ gelassen und lebt sein Leben weiter. Jason benutzt sein Genie um dem Geheimnis wissenschaftlich auf den Grund zu kommen. Seine Schwester Diane schließt sich religiösen Bewegungen an, die das Ende der Menschheit beschwören. Diese Ähnlichkeiten zu den Chronolithen sind mir in der ersten Hälfte etwas sauer aufgestoßen. Es ist zwar interessant, dass der Autor die sozialen Einflüsse von solchen umwerfenden Ereignissen erkundet, aber es gibt zuwenig Neues. Hinzu kommt, dass die Familiengeschichte von Tyler stellenweise sehr ermüdend ist. Damit mich keiner falsch versteht - die Charaktere sind wunderbar gelungen, es sind echte Menschen mit eigenen Wünschen, Marotten und Zielen. Leider wird in vielen Rückblenden erzählt, worunter die Spannung deutlich leidet. Spannend wird es immer, wenn Tyler mit Jason zusammentrifft. Jason hat durch seinen Vater viele Beziehungen und arbeitet aktiv an den Untersuchungen des Spins. Ungefähr nach 200 Seiten (englische Ausgabe) geht es endlich voran. Ein mutiger Plan wird umgesetzt und bringt erste Ergebnisse. Dieser Plan ist das zweite große Aha-Erlebnis nach dem Spin, etwas was nur durch die Zeitbeschleunigung möglich ist. Die dritte Hauptperson ist Diane. Sie verliert den Halt und findet in religiösen Gruppen ihre Zuflucht. Tyler ist heimlich verliebt in sie und versucht, über die Jahre die Beziehung aufrecht zu erhalten. Das ist alles andere als einfach und die Beziehung wird immer komplizierter. Der Autor versteht es meisterhaft, die Gefühle auszuloten. An keiner Stelle wird es kitschig und man kann sich gut in Tyler oder Diane hineinversetzen. Parallel zur Haupthandlung und den Rückblenden gibt es auch eine "Vorblende". Sie zeigt die Veränderung von Tyler und führt schließlich zum großen Finale. Diese Meta-Ebene hat mir überhaupt nicht gefallen, es gibt viel Anarchie und man bekommt fast keine Orientierung. Erst am Ende wird der Sinn klar, aber wieso erst so spät? Zusammenfassend ist Spin nicht der ganz große Roman, den ich mir gewünscht habe. Das liegt hauptsächlich an der lahmen ersten Hälfte. Wer die Chronolithen noch nicht kennt, hat sicherlich etwas mehr Spaß. Die zweite Hälfte ist sehr gut gelungen und führt das Buch zu einem guten Ende. Eine ganz große Stärke sind die Charaktere, diese intensive Lebendigkeit hat man selten in SF-Romanen und führt zu einem besonderen Erlebnis. Typisch für das Genre sind neue, ungewöhnliche Ideen bzw. Extrapolationen. In Spin sind die Ideen zwar gut, aber sie werden nicht gründlich genug auf der wissenschaftlichen Seite ausgelotet. Der Roman könnte sogar völlig ohne SF Elemente auskommen. Das spricht zwar für das Buch, aber wenn man die Erwartung hat, SF zu lesen und sogar SF-Elemente vorgesetzt bekommt, ist das schlecht. Deswegen reicht es nicht zur einer besseren Wertung. Dezember 2006 Was andere Leute schreibenAuf buchwurm.info kommt Alf Stiegler zur gleichen Erkenntnis wie ich: Der Science-Fiction-Fan allerdings wird schon längst unruhig auf dem Stuhl herumrutschen: Familienchronik, Sozialfiktion, treffende Vergleiche und philosophische Ausschweifungen - schön und gut, aber wo verdammt noch mal bleibt die Science-Fiction?!
Sehr gut zusammengefasst! Michael Birke auf der gleichen Seite ist dagegen viel begeisterter: "Spin" vereinigt drei Lieblingsthemen Wilsons, die zusammen erfreulicherweise noch mehr ergeben als nur die Summe der Teile. Standen bei den "Chronolithen" das menschliche Verhalten und seine Auswirkungen angesichts erschütternder, weltverändernder Umstände im Mittelpunkt, hat Wilson den Fokus in "Spin" auf Kosmologie und Astronomie verschoben, verbunden mit Evolutionstheorien.
Fokus auf "Kosmologie und Astronomie"? Nein, auch hier steht wieder das menschliche Verhalten ganz klar im Mittelpunkt. << Weltensturm | Kritiken chronologisch | Coruum Volume II >> Seite zuletzt geändert am 21.January 2007, um 15:00 |