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Motive: Galaktische Imperien - Biologie, Umwelt und schillernde Welten - Zuk?nftige und alternative Geschichte - Technologien und Artifakte
Wertung: 3 von 7 Angenehmer Stil und gute Charakterbeschreibung, aber viele verpasste Möglichkeiten Wir schauen in die ferne Zukunft. Die Nanotechnologie macht es möglich, dass Menschen so gut wie unsterblich sind. Sie nistet sich im Körper ein und hat nur ein Ziel: die Lebensfunktionen um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Die Menschen leben in einer hedonistischen Spaßgesellschaft und verfügen über die Möglichkeit, auf sehr originelle Art und Weise durch das Weltall zu reisen. Sie werden zuerst in einen Schaum eingehüllt und bewegen sich anschließend mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit zum gewünschten Ziel. Der auf diese Weise bereisbare Raum ist sehr groß, aber begrenzt. An den Enden lässt sich nicht mehr mit Über-Lichtgeschwindigkeit reisen, ein ähnliches Konzept wurde bereits von Vernor Vinge in Fire upon Deep entwickelt. Ae ist eine ungewöhnliche Frau. In einer Gesellschaft, in der es kein Verbrechen gibt, wird sie bestraft für den Mord an einen Menschen. Ihr wird die Nanotechnologie entzogen, so dass sie in ein paar Jahrzehnten sterben wird. Zusätzlich wird sie auf einen Gefängnis-Stern gefangen gehalten. Ein geheimnisvoller Auftraggeber nimmt Kontakt mit ihr auf und bietet ihr einen Deal an. Freiheit und großen Reichtum wenn sie 60 Mio. Menschen eines fernen Planeten umbringt. Ae nimmt an und macht sich auf den Weg. Im Mittelpunkt steht die ungewöhnliche Protagonistin Ae. Sie ist ein Freak in ihrer Welt, eine Außenseiterin. In Briefen an einen Stein (daher auch der Titel des Buches) erzählt sie ihre Geschichte. Ein ungewöhnliches Stilmittel, dass gut funktioniert. Ihre Handlungen sind jederzeit plausibel und sie ist sehr gut ausgearbeitet. Was mir nicht gefallen hat ist die Zukunft, die Adam Roberts skizziert. Ich kann mir nur schwer diese antriebslose Spaßgesellschaft vorstellen, in der die Menschen vor sich hin leben. Während Ae die verschiedenen Planeten besucht, fühle ich mich wie ein Tourist auf einer Führung. An keiner Stelle hatte ich das Gefühl, diese zukünftige Gesellschaft zu verstehen, der Sinn blieb mir komplett verborgen. Der Autor verpasst es, den andersartigen Charakter von Ae in Kontrast zu den "normalen" Menschen zu stellen um das tägliche Leben zu zeigen. (Tatsächlich lernt man nur noch 3 weitere Charktere etwas näher kennen.) Über weite Teile wurde ich an Iain Banks erinnert, aber ihm ist es viel glaubhafter gelungen, eine realistische, mögliche Zukunft darzustellen. Einzig und allein die Suche nach dem Auftraggeber und die Frage, wie Ae den Mord bewerkstelligen möchte, hielt mich bei der Stange. Glücklicherweise wird der Leser nicht enttäuscht, das letzte Kapitel enthüllt die ganzen Zusammenhänge. Vereinzelt finden sich Anmerkungen des virtuellen Übersetzers. Bei Jack Vance funktioniert dies überaus gut, hier wirken sie fehl am Platze. Wenn man nach dem Einstieg in das Buch erwartet, dass es um Quantenphysik und Hard SF geht, wird man schwer enttäuscht sein. Die Quantenphysik hat erst sehr spät einen Auftritt und dazu noch einen, der nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Viele Ideen sind schon mal dagewesen und nichts Besonderes mehr. Schade, das Buch hätte soviel mehr sein können, reduziert sich aber zu sehr auf den eigenwilligen Charakter von Ae. Auf der Homepage von Adam Roberts (runterscrollen zu Stone) findet man einige interessante Bemerkungen. Unter anderem erklärt er, dass es in dem Buch um viel mehr geht, z.B. um Entscheidungsfreiheit, um das Einschränken oder Eröffnen von Möglichkeiten. Dem kann ich nicht zustimmen. Die Punkte werden zwar erwähnt, aber sie werden nicht überzeugend genug dargestellt. Bei Iain Banks sind die Menschen z.B. in der Lage, mit Hilfe von speziellen Drüsenfunktionen ihre Stimmungen zu steuern und es werden ausführliche Beispiele geliefert, wie das passiert. Der Leser kann sich ein Bild machen, ob das eine gute oder eher schlechte Entwicklung wäre. Bei Adam Roberts sieht man nicht, was für einen Effekt der gesteuerte Hormonhaushalt hat. Es wird zwar kurz über die Liebe gesprochen (Ae ist ganz verrückt vor Liebe, ihr Partner tut das als verrückt ab), aber man hat nie den Eindruck dass den Menschen mit Nanotechnologie etwas fehlt. Sie sind leidenschaftlich und probieren neue Sachen aus. Das Buch hat viele positive Kritiken bekommen, z.B. hier, hier oder hier (alles auf englisch). Ich stimme darin überein, dass Stil und Charakterbeschreibung sehr gut sind. Das erschaffene Universum dagegen hat mich nicht überzeugt und ein Vergleich mit der "Kultur" (Culture) von Banks ist sehr weit hergeholt. Januar 2006 << Orphans of Chaos | Kritiken chronologisch | Mindbridge >> Seite zuletzt geändert am 24.August 2006, um 21:21 |