Gene Wolfes Fifth Head of CerberusUpdate, Mai 2009: In der Essay Sammlung Cave Canem findet sich die Lösung zu vielen Geheimnissen. Ich habe im Mai 2009 meine Gedanken überarbeitet und Hinweise hinzugefügt, was Gene Wolfe gemeint haben könnte. Warnung: das Essay enthält Spoiler! Eine Kritik ohne Spoiler ist hier zu finden. Am Ende der letzten Novelle beginnt man zu ahnen, dass Gene Wolfe Hinweise an verschiedenen Stellen versteckt hat. Man kommt nicht drumherum, noch einmal von vorne anzufangen und dieses Mal die Augen genau offen zu halten. Ich hatte im Internet zunächst nichts gefunden und deshalb beschlossen, selber nach Spuren zu suchen. Mittlerweile habe ich aber die richtigen Quellen gefunden mit sehr ausführlichen und tiefgründigen Analysen. Mein Essay ist deshalb ein Mix aus eigenen Erkenntnissen und Referenzen auf andere Quellen. Die PersonenEin Identität der Personen und ihre Beziehung zueinander ist nicht von Anfang an klar. Nummer 5, der Ich-Erzähler der Geschichte, ist ein Klon seines Vaters. Er scheint eine ähnliche Ausbildung wie sein Vater zu genießen, verfolgt die gleichen Interessen und wird ihm sehr ähnlich. Sein Name lässt sich angeblich erraten, allerdings sind mir die Hinweise darauf entgangen. Im englischen Wikipedia Eintrag findet man Jean Wolfe, Robert Borski meint Gene Wolfe. Der Nachname soll sich aus dem Erlebnis in der Bibliothek erschließen, als Nummer 5 nach den Büchern seines Vaters sucht: ... when I attained the highest of all I found occupying that lofty, dusty position (besides a misplaced astronautics text, The Mile-Long Spaceship, by some German) only a lorn copy of Monday or Tuesday leaning against a book about the assassination of Trotsky, and a crumbling volume of Vernor Vinge’s short stories that owed its presence there, or so I suspect, to some long-dead librarian’s mistaking the faded V. Vinge on the spine for “Winge”.
I never found any books of my father’s, but I did not regret the long climbs to the top of the dome.
The Mile-Long Spaceship ist ein Buch von Kate Wilhelm, ein zugegeben deutscher Name obwohl sie selbst Amerikanerin ist. Den Autoren über die Assassination of Trotsky weiß ich nicht, Monday or Tuesday ist ein Buch von Virginia Woolf. Von Vernor Vinge gab es übrigens bis 1972 nur 10 Kurzgeschichten. Reichlich obskur, dass Gene Wolfe ihn erwähnt. Ein andere Hinweis auf den Nachnamen stellt der Cerberus dar. Von dem dreiköpfigen Hund auf "Wolfe" zu schließen, liegt relativ nahe. Der Bruder von Nummer 5 heißt David und ist durch outcrossing gezeugt worden. Bedeutet das, dass er ein normaler Sohn ist oder wurden bei ihm genetische Experimente gemacht? (Update: Ich habe mich unnötig durch outcrossing irritieren lassen. David ist ein normaler Sohn.) Am Ende der Geschichte wird allerdings nicht ihm, sondern der Tante Jeannine das Erbe zugesprochen. Dr. Marsch sagt kurz vorher: He looked at me as if expecting a protest, then when I said nothing: “I mean your son David — that, and not brother is his real relationship to your continuing personality — and the woman you call your aunt. She is in reality daughter to an earlier—shall we say ‘version’? — of yourself.”
Diese direkte Ansprache hat mich etwas verwirrt, David und Nummer 5 sind ja als Brüder aufgewachsen. Und die Tante ist biologisch gesehen eine Tochter... (Update: Der Begriff continuing personality macht klar, dass Nummer 5 ein Klon seines Vaters ist. David ist sein Sohn und wird, wenn die Persönlichkeit des Vaters in Nummer 5 weiterlebt, biologisch gesehen korrekterweise sein Sohn. Tante Jeannine ist die Tochter von der früheren, ungeklonten Person.) Als nächstes hätten wir M. Million. Es handelt sich um einen unbound simulator, in dem der Geist des Ur-Großvaters haust. Er hat bereits dem Großvater und dem Vater als Lehrer zur Seite gestanden. Im Text verteilt gibt es frühe Hinweise auf das Wesen von M. Million, die man beim zweiten Lesen recht schnell erkennt. Genauso gibt es Hinweise darauf, dass Nummer 5 ein Verbrechen begangen und im Gefängnis gesessen hat. (Update: M. Million ist ein Roboter, in dem die Persönlichkeit der ungeklonten Ausgangsversion gespeichert ist und als Simulation läuft.) Dr. Marsch taucht zweimal auf. Beim ersten Mal, um mit Veil zu sprechen (stellt sich als Pseudonym von Tante Jeannine heraus; das Wort veil bedeutet Schleier und ist ein Akronym für live, leben) und beim zweiten Mal zögert er die Konfrontation zwischen Vater und Klon heraus. Dabei fallen folgende Worte: I was no longer listening. I had come to kill my father, and it was necessary that Dr Marsch leave. I watched him as he leaned forward in his chair, his long, white hands making incisive little gestures, his cruel lips moving in a frame of black hair; I watched him and I heard nothing. It was as though I had gone deaf or as if he could communicate only by his thoughts, and I, knowing the thoughts were silly lies had shut them out. I said, “You are from Sainte Anne.”
He looked at me in surprise, halting in the midst of a senseless sentence. “I have been there, yes. I spent several years on Sainte Anne before coming here.”
“You were born there. You studied your anthropology there from books written on Earth twenty years ago. You are an abo, or at least half-abo; but we are men.”
Marsch glanced at my father, then said: “The abos are gone. Scientific opinion on Sainte Anne holds that they have been extinct for almost a century.”
“You didn’t believe that when you came to see my aunt.”
“I’ve never accepted Veil’s Hypothesis. I called on everyone here who had published anything in my field. Really, I don’t have time to listen to this.”
“You are an abo and not from Earth.”
And in a short time my father and I were alone.
Für mich ist Dr. Marsch ganz klar ein Abo. Auf die Frage, ob es solch alte Häuser [140 Jahre] auch auf der Erde gäbe antwortet er mit vermutlich. Wenn er von der Erde kommen würde, wüsste er, ob es alte Häuser gibt. Verwunderlich ist auch, dass er nicht auf die Erde zurück möchte. Die Ausrede, dass mehr als 40 Jahre vergangen sind und seine anthropologischen Studien für das Institut keinen Wert haben, widerspricht sich. Gerade in der Anthropologie spielen diese Zeiträume keine Rolle. Peter Wright geht in seinem Essay Confounding the Skin and the Mask noch viel weiter und erkennt die Hybrid Stellung von Dr. Marsch. Und zum Abschluss des Abschnitts ein Link zur ausgezeichneten Concordance von Robert Borski, die ich leider erst spät gefunden habe. Ich wäre selbst beim zweiten Lesen nicht darauf gekommen, dass Phaedria die verlorene Schwester von Nummer 5 ist. Die Hinweise sind sehr versteckt und letzten Endes ist es eher von theoretischer Bedeutung. Die HandlungDer Vater von Nummer 5 führt merkwürdige Befragungen an seinem Klon durch, er bezeichnet sie selbst als narcotherapeutic. Was bedeteutet das Wort überhaupt? narcotherapy: In psychotherapy, the use of intravenous barbiturates to enhance relaxation, to facilitate communication, and to render the subject more responsive to the suggestions of the therapist.
In any particular narcotherapeutic session, the focus may be on reassurance (narcohypnosis), on uncovering repressed material (narcoanalysis), on encouraging expression of repressed affects (narcocatharsis), on eliciting data for later assimilation (narcosynthesis), or on obtaining data to provide more adequate evaluation (narcodiagnosis).
Im Deutschen findet man den Begriff Schlaftherapie. Der Vater ist unzufrieden mit seiner sozialen Situation. Trotz aller Versuche gelingt es der Familie nicht, in die höhere Schicht aufzusteigen. Mit den Experimenten möchte er herausfinden, woran es genau liegt. David dient hierbei als Vergleichsobjekt, er ist normal geboren. Anscheinend hat es schon viele solcher Experimente gegeben (die Rede ist von mindestens 50), viele Fehlversuche wurden als Sklaven auf dem Markt verkauft und ein gruseliges Opfer finden Phaedria, David und Nummer 5 bei ihrer Suche nach Geld. Interessant fand ich die Gedächtnislücken von Nummer 5. Sind sie stressbedingt durch die Experimente des Vaters? Oder haben sie eine andere Ursache? Man darf spekulieren. Der Fünfte Kopf des ZerberusKommen wir zum Titel der Geschichte, den Gene Wolfe bestimmt nicht ohne Hintergedanken benutzt hat. Cerberus (oder auch Kerberos) war in der griechischen Mythologie ein riesiger, dreiköpfiger Hund und Bewacher der Unterwelt. In der Geschichte steht er als Statue vor dem Eingang des Hauses mit der Hausnummer 666. Die 5 Köpfe sind wohl die Familienmitglieder:
Am Schluss der Geschichte lebt Phaedria wieder im Maison du Chien und bringt Nummer 5 ein Kind. Sie nimmt die Rolle der verstorbenen Tante ein. Damit endet mein Essay. Durch die vielen Erklärungen im Wolfe Wiki ist es von meiner Seite unnötig, noch weiter ins Detail zu gehen. Vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch auf die Bedeutung von Passagen oder einzelnen Worten zu sprechen kommen, speziell die Übertragung ins Deutsche. Ich würde mich sehr über Kommentare freuen (siehe Impressum). Seite zuletzt geändert am 06.May 2009, um 12:47 |