|
Kurzgeschichten ab 1999
Auf dieser Seite finden sich Besprechungen von Kurzgeschichten, die nach 1999 erschienen sind. Ungefähr ab 2001 habe ich mich verstärkt nach SF Stories umgeschaut und viele Geschichten gelesen. In den letzten Jahren haben die Verlage außerdem begonnen, für Awards (Hugo, Nebula) nominierte Geschichten online verfügbar zu machen. Für ältere Geschichten habe ich als Referenz den Locus Poll genommen und hier eine Übersicht erstellt. Zusätzlich gibt es hier eine Übersicht über Autoren, die sich besonders bei Kurzgeschichten hervorgetan haben. Der Masterindex? ist noch im Aufbau.
Die Geschichten sind nach Jahr und innerhalb des Jahres nach Autor sortiert. Ich habe sie farbkodiert:
- Eine gute Geschichte
- Die Geschichte war okay.
- Die Geschichte hat mir nicht gefallen.
2008
- Bacigalupi, Paolo: The Gambler (online) (Hugo nominiert)
Ein Blick auf die Medienwelt von morgen (oder heute?). Ein großer News-Konzern muss quotenreiche Stories platzieren, um finanziell überleben zu können. Das Schreiben übernehmen Leute wie der aus Laos stammende Ong. Ihm sind die skandalträchtigen Stories zuwider (geprägt durch SSS: sex, stupidity, schadenfreude), allerdings werden seine Berichte über Klimawandel oder aussterbende Arten kaum gelesen. Seine Chefin setzt ihm ein Ultimatum: entweder er erzeugt mehr Klicks oder er wird entlassen, sein Visum wird ungültig und muss zurück nach Laos. Ein Kollege möchte helfen und vermittelt Ong ein Interview mit einer bekannten Schauspielerin und Landsmännin... Eine hervorragende Geschichte, in der elegant die eigene Vergangenheit von Ong eingebettet ist. Zu Beginn übertreibt der Autor es etwas mit dem Infodumping, aber dann kommt die Handlung in Gang und überzeugt auf der ganzen Linie. Besonders gefallen haben mir die lebendigen Charaktere und das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Kulturen. Man findet sehr viele Parallelen zur aktuellen Medienlandschaft und das finde ich sehr beunruhigend. Empfehlenswert!
- Bacigalupi, Paolo: Pump Six
In der nahen Zukunft leben die Menschen in einer Welt, die langsam zerfällt. Das Wasser ist verschmutzt, bestimmte Lebensmittel gibt es nur sporadisch, Fehlgeburten oder Mutationen sind an der Tagesordnung. Doch die Menschen kümmert es nicht, ihr IQ ist stark gesunken so dass sie die Technik um sich herum kaum noch verstehen. Der Held ist zwar nicht der Schlaueste (IQ unter 100) aber wie man weiß ist der Einäugige unter den Blinden König. Problematisch wird es, als eine Pumpe, die für das Abwassersystem wichtig ist, auseinanderfällt... Eine wunderbare Geschichte, bei der ich zuerst nicht richtig wusste was ich von ihr halten sollte. Das Bild von der Zukunft ist zwar düster, aber die Menschen haben sich arrangiert und sind alles andere als unglücklich. Was mit der Pumpe passiert, ist zunächst nur eine Unannehmlichkeit. Der Schock setzt später ein, wenn die Konsequenzen und Parallelen klar werden! Ein paar Tage später ging mir die Geschichte immer noch durch den Kopf und ich bin beeindruckt von der Vision.
- Bear, Elizabeth: Shoggoths in Bloom (online) (Hugo nominiert)
Shoggoths sind unheimliche Wesen die von H.P. Lovecraft erfunden wurden. In dieser Geschichte, die kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges spielt, macht sich Professor Harding auf um sie näher zu untersuchen. Elizabeth Bear schreibt sehr gut, aber mit dem Inhalt wurde ich bis zum Schluss nicht warm. Es gibt einige gute Momente und die Verbindung zur Judenverfolgung und Rassendiskriminierung fand ich sehr gelungen, doch letzten Endes ist es nicht mehr als pure Unterhaltung mit einer Hommage an Lovecraft.
- Chiang, Ted: Exhalation (online) (Hugo nominiert)
Ted Chiang beschreibt eine originelle Welt mit ungewöhnlichen Bewohnern. Sie machen plötzlich eine beunruhigende Entdeckung: die Zeit scheint schneller zu gehen als vorher! In Selbstexperimenten versuchen sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Damit lösen sie letzten Endes nicht nur das Rätsel, sondern sie finden auch heraus, wie die Welt um sie herum und sie selbst funktionieren... Exhalation ist harte Ideen-SF und wie gewohnt sehr gut geschrieben. Ein bisschen mehr Story drumherum hätte gut getan, um sich leichter mit der Welt identifizieren zu können. Sie bleibt etwas zu abstrakt und erst am Schluss gelingt es, den Bogen weiterzuspannen. Trotzalledem eine interessante Geschichte insbesondere für Freunde von Hard SF.
- Egan, Greg: Crystal Nights
Diese Geschichte ist eine Hommage an Microcosmic God von Theodore Sturgeon. Da man nicht seine eigene Intelligenz steigern kann, hat ein Mann die Idee, ein AI Volk in einer virtuellen Umgebung zu züchten und sie durch entsprechende Impulse in ihrer Entwicklung voranzutreiben bis sie eines Tages Lösungen für aktuelle Probleme finden. Der Anfang ist langwierig aber dann kommt das Projekt ins Rollen... Eine sehr gute Geschichte, die auf die ethischen Aspekte eines solchen Vorgehens eingeht. Greg is back!
- Johnson, Kij: 26 Monkeys, Also the Abyss (online) (Hugo nominiert)
Die Geschichte handelt von 26 Affen, die einen tollen Trick auf Lager haben: sie können vor den Augen des Publikums verschwinden und tauchen irgendwann später wieder auf. Als Zirkusattraktion zieht die Besitzerin von Aufführung zu Aufführung und versucht, hinter den Trick zu kommen... So ganz hat die Geschichte meinen Geschmack nicht getroffen, was hauptsächlich an der unpersönlichen Erzählweise und den langen Aufzählungen liegt. Die Auflösung am Schluss ist nicht schlecht, mehr als ein nett springt aber nicht heraus.
- Lanagan, Margo: The Goosle
Hänsel und Gretel wird auf provokante, düstere Weise weitererzählt. Hänsel lebt bei einem Mann mit dem Namen Grinnan, der ihn sexuell missbraucht. Zusammen kehren sie zum Haus im Wald zurück, in dem die Hexe lebt, die Hänsel und Gretel gefangen hatte. Die Geschehnisse sind recht brutal und werden aus den Augen von Hänsel erzählt. Dabei gelingt der Autorin ein Einblick in die Seele eines Missbrauchopfers, der die Ohnmacht und verquerte Logik aufzeigt. Dafür gebührt ihr mein voller Respekt! Die Handlung dagegen fand ich zu holprig. Man kann sich einen Teil zusammenreimen, aber mir ist nicht klar, wieso Hänsel und Grinnan zur Hexe gehen oder wieso Hänsel überhaupt bei Grinnan landet. Den Schluss fand ich ebenfalls unbefriedigend, hier hätte ich mir etwas stärkeres gewünscht.
- Reed, Robert: Truth (Hugo nominiert)
Ein Mann wird in den USA gefangen genommen, der scheinbar Wissen aus der Zukunft hat. Er entpuppt sich als ein zeitreisender Terrorist, der nicht mehr die Ziele um den Führer Abraham verfolgt und der USA helfen möchte. Doch der Preis ist sehr hoch... Eine interessante Geschichte mit gut ausgearbeiteten Charakteren. Sie besteht im wesentlichen aus zwei Teilen. Zum einen wird untersucht, was für einen Einfluss eine terroristische Bedrohung von Zeitreisenden auf die Sicherheit und die Gesellschaft hat. Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September gewinnt dieser Aspekt eine aktuelle Dimension, die mit nahezu bedrückender Paranoidität untersucht wird. Wie weit ist man bereit zu gehen und welche Opfer dürfen gebracht werden? In Chronoliths wird auf ähnliche Weise der Einfluss von Ereignissen aus der Zukunft auf die aktuelle Vergangenheit untersucht. Eingebettet ist dieser Teil in die Verhöre des Gefangenen. Die psychologischen Spiele und Manipulationen sind spannend zu lesen und halten einige Überraschungen parat. Der Gefangene hat mich stark an die Figur Ben aus der Serie Lost erinnert, der ebenfalls ein Talent dafür hatte, das zu bekommen was er haben wollte. Trotz der guten Zutaten fehlt der Story der gewisse Touch, um wirklich großartig zu werden. Ich hätte mir gewünscht, dass entweder die Idee mit den Terroristen stärker ausgearbeitet worden wäre oder dass die Charakterstudien während der Verhöre mehr Raum bekommen hätten. Schade - dennoch eine lesenswerte Geschichte.
- Resnick, Mike: Article of Faith (online) (Hugo nominiert)
In dieser Geschichte geht es um ausgelutschtes Thema. Hat ein Roboter eine Seele? Kann er zu Gott finden? Die Geschichte ist nicht schlecht geschrieben, aber der Inhalt ist absolut altbacken mit einem unbefriedigendem Ende. Ich habe kein Problem damit, dass die Beziehung zu Gott erörtert wird, ganz im Gegenteil. Aber man sollte in so einem Fall dem Roboter mehr Eigenleben und Charakter zugestehen und ihn nicht zu einer Marionette machen.
2007
- Chiang, Ted: The Merchant and the Alchemist's Gate (Hugo Gewinner)
Zeitreise einmal anders. Fuwaad ibn Abbas entdeckt in Bagdad einen Laden, in dem ein Zeitportal steht. Bevor ihn der Besitzer reisen lässt, erzählt er ihm drei Geschichten von Leuten, die das Portal benutzt haben. Eine clevere Geschichte im Stile von 1001 Nacht mit einer relativ simplen Moral: alles hat seinen Preis. Gefallen kann wie immer der sehr gute Schreibstil von Ted Chiang und der ungewöhnliche Schauplatz, insgesamt war mir die Geschichte aber zu leicht.
- Willis, Connie: All Seated on the Ground (Hugo Gewiner)
Alien landen eines Tages auf der Erde. Sie versuchen nicht, Kontakt aufzunehmen und bleiben nahezu untastbar. Ein Team von Wissenschaftlern versucht alles mögliche, aber vergebens. Durch Zufall entdecken sie, dass die Aliens auf Weihnachtsgesang reagieren... Mit der Geschichte konnte ich nicht viel anfangen. Sie ist leicht und humorvoll geschrieben, aber sowohl Stil als auch Inhalt sprachen mich nicht an. Die meisten Leute sahen das offensichtlich anders, denn sie gewann 2008 den Hugo.
- Wolfe, Gene: Memorare (Hugo nominiert)
Die Geschichte habe ich hier ausführlicher besprochen. Eine klasse Story von Gene Wolfe.
2003
- Vinge, Vernor: The Cookie Monster (Hugo Gewinner)
Eine Frau hat ihren ersten Arbeitstag bei der Firma Lotsatech und bekommt eine mysteriöse eMail. Sie macht sich auf die Suche nach dem Absender und findet dabei erstaunliche Sachen heraus... Ein an für sich interessantes Thema, aber die Geschichte konnte mich nicht packen. Sie ist zu geradlinig geschrieben und enthält nichts wirklich Neues oder Schockierendes.
|