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Review: Hyperion

Hyperion
 
Autor: Dan Simmons
Jahr:
ISBN:0553283685 (engl.)
3453215281 (dt.)

Motive:

no starno starno starno starno starno starno star

Wertung 7 von 7 Ein moderner SF Klassiker!


Hyperion stand schon lange auf meiner Leseliste und 2006 habe ich einen ersten Versuch mit der deutschen Übersetzung gemacht. Ich weiß nicht woran es lag, aber mein Gesamteindruck war durchwachsen. Vielleicht wollte ich das Buch nicht mögen, vielleicht war auch die deutsche Fassung nicht so gut - ich beschloss, dem Buch eine neue Chance zu geben, diesmal im Original. Worum geht's?

Sieben Pilger machen sich auf den Weg nach Hyperion zum Tempel des Shrikes. Der Shrike ist ein unheimliches Wesen, größer als normale Menschen und mit Dornen besetzt. Er kann die Zeit kontrollieren und ist absolut tödlich. Man nennt ihn auch den Herrn der Schmerzen. Kein Wunder, dass sich in der Hegemonie ein Kult um ihn gebildet hat. Aber es sind gefährliche Zeiten, ein interstellarer Krieg droht auszubrechen und Hyperion wird sich im Brennpunkt befinden. Die Pilger sind die letzten, die zu einer Mission aufbrechen werden.

Jeder der Pilger erzählt während der Reise nach Hyperion seine eigene, tragische Geschichte. Diese sind stilistisch und thematisch grundverschieden. Verbunden werden sie durch Hyperion selbst bzw. dem Dichter John Keats, dessen unvollendetes Gedicht als Namensgebung diente. Da wäre zuerst der Geistliche, der bei einer Ausgrabung die Beweise gefälscht hat und abgeschoben wird. Er entdeckt eine Gruppe von Einheimischen, die symbiotisch mit einer geheimnisvollen Lebensform verschmolzen ist. Sein Glaube wird auf eine harte Probe gestellt. In der nächsten Geschichte geht es um den Soldaten Oberst Kassad, dessen Ausbildung in der Matrix erfolgt. In diesen Trainings werden Schlachten in einer virtuellen Umgebung nachgestellt. Die Eindrücke sind dabei so echt, dass man sogar sterben könnte. Die Intensität, mit der Dan Simmons die Kämpfe aus Sicht eines normalen Soldaten beschreibt, ist sehr beeindruckend. Man hat das Gefühl, hautnah dabeizusein. Die Ausbildung nimmt etwas andere Züge an, als Kassad eine Frau trifft, die im realen Leben nicht zu existieren scheint. Welches Spiel wird da getrieben?

In der dritten Geschichte erzählt der Dichter Martin Silenius, der seine Muse auf Hyperion wiederzufinden hofft. Die vierte Geschichte erzählt von der Tochter Rachel des Gelehrten Sol Weintraub. Durch einen Unfall in den Zeitgräbern auf Hyperion wird sie nicht mehr älter sondern mit jedem Tag jünger. Keiner weiß wie das möglich ist und Sol muss mit den täglich-banalen, aber auch ethischen Folgen fertig werden, dass Rachel jeden Tag mit Erinnerungen aufwacht, die längst von der Realität überholt sind. Die fünfte Geschichte ist eine klassische Detektivgeschichte, die einige Wendungen aufzuweisen hat. Zum Schluss kommt der Hegemonie Konsul zu Wort mit aufschlussreichen Offenbarungen.

Dieses Buch ist zurecht ein Meisterwerk der Science Fiction. Dan Simmons schreibt mit einer sprachlichen Gewalt, die Charaktere und Welten real werden lassen und den Leser auf emotionaler Ebene berührt. Doch dabei bleibt es nicht. Jeder der Pilger hat mit ethischen und moralischen Problemen zu kämpfen, die sie zu greifbaren Menschen machen und wodurch sie noch lange in Erinnerung bleiben. Das sind die Zutaten eines modernen Klassikers!

Mir haben nicht alle Geschichten gleichgut gefallen. Ganz oben steht Sol Weintraub. Wenn man wie ich selber Kinder hat, sieht man die Geschichte mit anderen Augen. Zu erleben, wie die eigene Tochter jünger wird mitsamt allen Komplikationen ist sehr nervenaufreibend. Sol bekommt einen schrecklichen Auftrag und muss als moderner Abraham eine ethische Entscheidung treffen. Ziemlich am Anfang fallen einige Worte, die mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind:

Liebe ist wenn jede Lüge schmerzt, die man dem geliebten Menschen erzählt.

Darin steckt eine tiefere Wahrheit, über die es sich lohnt, nachzudenken. Wie oft werden achtlos kleine Lügen dahingesagt ohne daran zu denken, wie sehr man seinen Gegenüber damit verletzt, und nich umsonst ist Wahrheit eines der höchsten Tugenden (auch wenn sie manchmal alles zerstören kann).

Die Geschichte des Priesters, des Kriegers und des Konsuls kommen in meiner Rangliste als nächste und stehen ungefähr auf einer Ebene, wobei die letzte elegant die Fäden verknüpft und für einen großen Aha-Effekt sorgt.

Nicht ganz so überzeugend fand ich die Detektivin. Die Verfolgungsjagden waren mir zu effekthascherisch. Dieser Eindruck ändert sich im zweiten Teil, die Geschichte entwickelt sich zu einer einfühlsamen Liebesgeschichte mit interessanten philosophischen Diskussionen.

Am wenigsten anfangen konnte ich mit Martin Silenius, dem Dichter. Seine Sprache ist deftig, er sagt was er denkt und er lebt seine Begierden voll aus. Sein Leben gleicht einer Achterbahnfahrt und aus dem aktuellen Tief kann ihn nur der Shrike selbst erlösen. In einer Welt des Zerfalls irrt er ziellos umher, zieht sich zurück und taucht wieder auf. Mir ist es nicht gelungen, seine Motive und Handlungen zu verstehen. Das ganze ist zwar gut geschrieben, hat mich aber nicht so ergriffen wie die restlichen Geschichten.

Fazit: An Hyperion führt kein Weg dran vorbei. Dan Simmons beweist, dass man trotz des Genres (oder gerade deswegen!) über Probleme und Konflikte schreiben kann, die den Leser berühren und ihm in seiner eigenen Welt helfen. Der Rahmen treibt die Handlung elegant voran und sorgt für die nötige Spannung und intergalaktische Weite.

Kleine Anmerkung: das Buch bricht relativ abrupt ab und wird in Fall of Hyperion aufgelöst.

März 2007

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